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Stevan Paul: Zitrone zum Schnitzel ist grauenhaft!

Er kocht mit Bier, schreibt Tim Mälzers Bücher, seine Streetfood-Bibel 'Auf die Hand' ist längst ein Bestseller – und schwer sympathisch ist der Mann, der ständig Sachen wie "supergut", "mega" und "geil" sagt, sowieso. Im Interview mit get hungry! verrät Stevan Paul, warum man Schnitzel NIE mit Zitrone essen sollte, was er für den Küchenbullen wegknüppelt und sich von deutschen Foodbloggern uncooles wünscht.

get hungry!: Du bist gelernter Koch, Foodstylist, schreibst Kolumnen, Kochbücher und gibst sie heraus. Was erzählst du eigentlich, wenn du gefragt wirst, was dein Job ist?

Stevan Paul: Ich sage immer, ich bin Kulinariker. Ich bin mittlerweile breit aufgestellt und das ist auch schön so. Ich mag die Abwechslung. Wobei mir das Kochbuchmachen mittlerweile das Liebste geworden ist. Da hat man zum Schluss ein schönes Produkt in der Hand.

Wie lange brauchst du denn für ein Kochbuch?

Das ist ganz unterschiedlich. Für 'Auf die Hand' habe ich fast ein Jahr gebraucht – von der ersten Idee bis zum Druck. Die Rezepte fotografieren geht schnell, aber dann muss das Buch noch geschrieben werden. Produktionen wie letztens 'Heimat' von Tim Mälzer, wo ich Autor war, müssen zügiger gehen, weil er wenig Zeit hat. Da haben wir um die Wette gekocht und alle Fotos in drei Wochen weggeknüppelt.

Tatsächlich geht der Trend wieder 'back to the roots'. Im Effilee Magazin stellst du bei 'Herrn Paulsens Deutschstunde' Klassiker wie Königsberger Klopse vor. Ein Kochbuch von dir behandelt 'Deutschland vegetarisch'. Was schmeckt für dich nach Heimat?

Bei mir sind das auf jeden Fall Maultaschen. Wobei mein Lieblingsgericht – seit ich denken kann – Wiener Schnitzel ist. Schon als kleiner Stöpsel zu Lolli und Cola, jetzt mit Feld- und Kartoffelsalat. Deshalb könnte ich nie Vegetarier werden. Das einzig Elende daran ist dieses Ich-mach-mir-noch-ne-halbe-Zitrone-drüber. Was soll das denn? Das ist schrecklich! Die Panade geht kaputt, das Fleisch wird sauer. Diese Zitrone ist aus einer Zeit, wo man das Alter des verwendeten Kalbfleisches kaschieren musste. Und das führt denkende Menschen im Restaurant dazu, auch heute noch eine Zitrone darüber zu träufeln. Grauenhaft!

Apropos Restaurant: Wie bist du als Gast?

Supernett! Ich habe selber jahrelang in der Küche gestanden, so dass ich oft weiß oder ahne, wie Fehler entstehen. Wenn ich einen guten Abend habe und ein Sache ist mies gelaufen, dann erzähl ich lieber den guten Abend. Denn die Empfehlung bringt den Leser weiter als ein Verriss. Obwohl sich der natürlich lustiger schreibt. Das einzige, wo mir das Messer in der Tasche aufgeht, ist Lieblosigkeit: kalte Teller, lieblos angerichtetes Essen. Da kann ich schnell sauer werden.

Seit 2008 bloggst du über das und noch viel mehr auf NutriCulinary. Wie gefällt es dir in der deutschen Foodblog-Szene?

Ich weiß nicht, ob es DIE Foodblogger-Szene überhaupt gibt. Die ist so vielfältig wie alles andere auch. Die einen konzentrieren sich auf Rezepte, die anderen reden wie ich über die Kulinarik an sich. Was die Szene allerdings eint: Man schätzt und begegnet sich mit Respekt. Das finde ich schön und schreibe es dem Umstand zu, dass, wer sich für gutes Essen interessiert, kein schlechter Mensch sein kann.

Wobei, einen Wunsch hätte ich doch. Ich finde, Foodblogger könnten es sich durchaus leisten, etwas politischer zu werden. Auch wenn es nicht cool ist. Mein Freund Hendrik Haase, der 'Wurstsack', hat neulich zu mir gesagt: 'Stevan, mach' es wie Jamie Oliver! 95 Prozent lecker, lecker, lecker und fünf Prozent knallharte Politik.'

Selbst wenn man die Politik außen vor lässt, so kriegt man immer mehr den Eindruck, dass Essen zur Ersatzreligion wird. Du sagst selbst, heute seien die Leute Qualitätsjunkies. Welcher Trend ist das nächste große Ding?

Ich kann's nicht sagen. Aber ich beobachte, dass Trends häufig bei Foodisten im Netz aufploppen. Brot backen ging bei Foodbloggern los, genauso wie der Streetfoodtrend. Wer hat als erstes Burger hoch und runter gebraten? Die Foodblogger. Die erkennen Strömungen und Trends sehr schnell und vertiefen sie.

Auf welchen Seiten holst du dir regelmäßig Appetit?

Bei 'Allem Anfang' von Torsten Goffin. Der Mann macht was, was wenige können: Der ist im Wein und im Food gleichermaßen bewandert. Das ist spannend. Außerdem fotografiert er hammergut. 'Anonyme Köche' von Claudio Del Principe ist immer eine Empfehlung. Contemporary Foodlab ist aktuell eine Station, wo ich gern hingucke und zwar jedes Mal mit Gewinn. 

Bei den Ladies gibt es auch ganz viele tolle Blogs: Annette Sander mit 'Culinary Pixel', 'Kulinarische Momentaufnahmen' von Ariane Bille oder 'Dinner um Acht'. Die Liste ist unendlich. Deshalb spreche ich jedes Jahr mein Foodbloglob aus. (Anmerkung der Redaktion: Bei der get hungry! übrigens zum Newcomer 2014 gekürt wurde :-) 

 

Was steht als nächstes bei dir an?

Die Fortsetzung von 'Auf die Hand'. Dafür fahren wir diesen Sommer mit dem VW-Bus einmal durch Europa. Wir starten in England und landen irgendwann am Strand von Pula in Kroatien. Im Frühjahr 2016 kommt das Buch dazu. Nicht mehr mit Streetfood-Buden, sondern mit etwas ganz anderem.

Gehen einem denn nie die Ideen für neue Bücher aus?

Nein. Das ist ähnlich wie mit Musik. Das eine Kochbuch ist Reggae, das andere Techno. Es gibt da Riesenunterschiede bei der Thematik, der Zielgruppe. Gerade bin ich in der Vorbereitung zu einem Craft-Beer-Buch im Herbst. Da wurde ich von den Autoren Bernd Müller und Torsten Goffin gefragt, ob ich mit Bier kochen kann. Das ist als Koch eine tolle Aufgabe. Das sind neue Welten, die man sich selber erarbeitet.

Und was ist mit dir vor der Kamera? Du hast mal gesagt, dass du jeden Tag 'Das perfekte Dinner' guckst. Ist der Kochshow-Hype nicht gefühlt vorbei?

Das Vorturnen vor der Kamera ist definitiv durch. Die Sender arbeiten fieberhaft an neuen Formaten. Es geht jetzt mehr in Richtung Entertainment und Challenge. Ich weiß noch nicht, wie glücklich ich damit bin, aber die Sendung 'Kitchen Possible: Mälzer vs. Raue' fand ich super. Das war hochspannendes Kochfernsehen, lustig, megaunterhaltsam. Ich wäre schwer dafür, dass es ein Rückspiel gibt.

Zur Person: Der selbsternannte Kulinariker spielt seit über 20 Jahren auf der Klaviatur der Genüsse. Erst Koch, dann Foodstylist und Kolumnist für Mixology, Effilee und essen & trinken schreibt Stevan Paul inzwischen am liebsten sehr schöne Kochbücher – auch für Tim Mälzer. "Zwei schafft man im Jahr", sagt der 45-Jährige. Das nächste wird ihn im Sommer quer durch Europa führen. Danach geht's für den Ravensburger wieder zurück nach Hamburg, seine Wahlheimat – in die er "eingeheiratet" hat, nach der er klingt und wo er jeden Abend für seine Frau und sich so köstliche Sachen zubereitet wie Krautstrudel.